Bevor ich in die Vollen gehe, hier vorerst ein paar Worte zu den Ferien:
Entgegen aller Vorstellungen haben Lehrer nicht die ganzen Ferien über Ferien. Urlaub schon mal gar nicht! Wir planen, überarbeiten, erstellen Stoffverteilungspläne, räumen unser Arbeitszimmer auf, misten Zettel/Entschuldigungen/Anträge/unbrauchbares Material/Emailpostfächer/unsere Seele etc. aus und fluchen über das Chaos, das sich unweigerlich im Laufe des vergangenen Schuljahres wieder mal im Arbeitszimmer verbreitet hat. Weg fahren dürfen wir sowieso nur während der beantragten Urlaubszeit (wussten Sie überhaupt schon, dass wir Lehrer auch nur begrenzte Urlaubstage haben? Nein? Ist echt so!). Denn es könnte ja sein, dass die Eltern eines hochbegabten Schülers (davon haben wir ganz doll viele) auch in den Ferien auf der Matte beim Chef stehen und Audienz fordern, weil die Note auf dem Zeugnis sicher nicht stimmen kann. Das fällt denen im Schnitt so im Laufe der dritten Ferienwoche auf. Tja und wenn besagter Chef dann anruft (auf dem Privathandy selbstverständlich oder haben Sie bei Lehrern schonmal was von Diensthandys gehört?) und man außerhalb seiner beantragten Urlaubszeit entgegnet, dass man leider grad hochbeschäftigt in der Toskana für ein Englischprojekt recherchiert, kann das unter Umständen zu Problemen führen.
Also, für alle zum mitschreiben, Merksatz in den Hefter: Lehrer haben 30 Urlaubstage. Diese müssen sie in die Ferien legen (also immer schön in die Hauptsaison). Sind sie außerhalb dieser Zeit nicht erreichbar/abrufbar droht im schlimmsten Fall Abmahnung etc.
So, nachdem wir also alle schön fünf Wochen am Stück in der Toskana gechillt haben, heißt es dann in der sechsten Woche der Sommerferien: Willkommen zurück im Irrenhaus, frisch gebräunt wieder eingezäunt!
Es folgt ein Bericht über die Vorbereitungswoche, diesmal im zweiten Pandemie-Schuljahr. Es folgen weiterhin mehrere Logikrätsel als Hausaufgabe.
Zusammenfassung Tag 1:
Die Schulleitung startet in furchtbar wichtige Sitzungen und Besprechungen, denn es haben sich ganz viele Probleme angehäuft, die zu Beginn der Ferienzeit nie und nimmer absehbar gewesen wären. Die vor den Ferien an die Lehrer ausgehändigten Lehrauftragsverteilungen müssen leider komplett über den Haufen geworfen werden, denn es kamen plötzlich zwei neue Kollegen. Dafür ist eine plötzlich schwanger, eine hat eine seit Monaten geplante OP und eine ist jetzt überraschend schon in Rente. Blöderweise passen die Fächerkombinationen der neuen Kollegen so gar nicht auf die wegfallenden Fächer der abwesenden Kollegen. Und dann muss ja auch noch logistisch geplant werden. Huch, so viele neue Schüler? Wo sollen die denn alle hin? Irgendwie bräuchte es auch noch ein ausgeklügeltes Hygienekonzept. Wie gut, dass das Kultusministerium da alles vorgibt, rechtlich fundiert und immer bis zum Ende gedacht. Applaus für das Bildungssystem - Nummer eins auf jeder Prioritätenliste der Kommunen.
Es folgt das Lehrerfoto auf dem Schulhof. Bitte mal alle dichter zusammenrücken, sonst passen nicht alle ins Bild! Herr Müller, nehmen Sie bitte die Maske ab! Wo ist Frau Schmidt? Ach, auf Toilette? Dann warten wir noch kurz. Nein, nicht wieder weiter auseinander stellen! Da kommt Frau Schmidt. Bitte in die Mitte. Und jetzt lächeln. Warum schauen Sie alle so grimmig? Was? Die Sonne? Egal, Mühe geben jetzt! Gut. Da war zwar noch ein Loch rechts oben, aber ist egal jetzt.
Dienstberatung. Alle Lehrer in die Aula. Vorstellung des neuen Stellvertreters. Vorstellung der neuen Kollegen. Vorstellung der neuen Referen... wie bitte? Die sind noch nicht da? Wieso nicht? Der Vertrag gilt erst ab der zweiten Monatshälfte? Ernsthaft jetzt? Und wer klärt die dann nachträglich über die ganzen wichtigen Informationen auf? Was soll das heißen, die Informationen sind eh nicht wichtig? Ruhe jetzt, wir fangen an. Haben schon alle ihren Impfstatus gemeldet oder sich getestet? Wir haben da noch keinen Überblick. Was soll das heißen, ist jetzt eh zu spät, waren doch alle grad auf Kuschelkurs beim Foto? Zeitverschwendung. Zeitverschwendung. Zeitverschwendung. Ende Tag 1.
Zusammenfassung Tag 2:
Fachkonferenzen. Wahl der Fachleiter. Ist es ok, wenn ich das einfach weiter mache? Einwände? Nein? Gut, dann klären wir erstmal, wer welche Klassen übernimmt. Hierbei stellt sich jetzt leider heraus, dass Herr Krüger mit 26 Stunden Vollzeit statt seiner genehmigten 18 Stunden Teilzeit im Plan steht. Oh, melden Sie das mal besser gleich den Planern drüben, wir warten solange und schließen Wetten ab, wer jetzt die offenen 8 Stunden abdecken darf. Wer hat denn die 5c in Englisch? Niemand? Dann fehlt da wahrscheinlich das Personal und die starten erst mal ohne Englisch. Wird schon nicht so schlimm sein. Sind ja eh nur Grundlagen in der fünften Klasse. Elternbeschwerden? Ja, ich kann es ja nun auch nicht ändern, dass wir massiven Lehrermangel haben. Mehr Wertschätzung und Entlastung würden zu mehr Bewerbern führen? Wie wollen Sie denn entlastet werden? Es ist ja keiner da, der Sie entlasten könnte. Hören Sie auf, mit den Augen zu rollen! Weiter in der Tagesordnung. Wer möchte denn gern zusätzlich zum Unterricht Ganztagesangebote oder AGs anbieten? Hallo? Wo wollen Sie hin? Ende Tag 2.
Zusammenfassung Tag 3:
Arbeitsgruppen zur Schulentwicklung - kurze Einblicke:
Die Arbeitsgruppe zur Arbeit im Schülerrat hat leider vergessen, die Schüler aus dem Schülerrat einzuladen. Tja, dann machen wir jetzt mal Vorschläge und kommunizieren die hinterher an den Schülersprecher weiter. Wer würde das denn übernehmen?
Die Arbeitsgruppe zur Überarbeitung der Hausordnung legt fest, dass ab sofort ein Handyverbot gelten soll. Applaus! Wurde auch Zeit. Wie, da muss die Schulkonferenz abstimmen? Da sitzen doch auch Schüler aus dem Schülerrat drin! Die stimmen doch da nicht so ab, wie wir das wollen. Können wir das nicht anders... nein? Der Schülerrat ist auch gar nicht da? Ferien, ach so.
Die Arbeitsgruppe zur Entlastung der Klassenleiter kommt leider nicht zum arbeiten, weil alle Teilnehmer die ganze Zeit darüber lamentieren, wie schwer alles ist und wie viel Aufwand diese ganze Bürokratie macht und alle anderen Kollegen könnten ja auch einfach mal an einem Strang ziehen und diszipliniert und einheitlich arbeiten! Das regt einen ja auf! Am Ende wird festgelegt, dass die Klassenleiter zusätzlich das Amt des stellvertretenden Klassenleiters in einer anderen Klasse übernehmen müssen.
Es folgt eine dreistündige Gesamtlehrerkonferenz. Stundenpläne gibt es leider noch keine, denn es stehen ja noch nicht einmal die finalen Lehrauftragsverteilungen fest, wie stellen Sie sich das eigentlich vor? Pläne für Montag? Nein, die gibt es frühestens Montag. Sie können doch wohl Aushänge lesen! Hören Sie auf, mit dem Kopf auf die Tischplatte zu schlagen! Zeitverschwendung. Zeitverschwendung. Zeitverschwendung. Ende Tag 3.
Zusammenfassung Tag 4:
Lehrerausflug. Teambildung für's gesamte Kollegium. Wieso fehlt denn die Hälfte des Kollegiums? Ach so, weil einfach festgelegt wurde, irgendwohin mit dem Fahrrad zu fahren und da wohnen so viele zu weit weg? Können die ihr Fahrrad nicht mit dem Auto hertransportieren? Egal, dann trinken wir den Alkohol eben alleine. Prost. Filmriss. Ende Tag 4.
Zusammenfassung Tag 5:
Stundenvorbereitungen für die erste Schulwoche ohne finale Lehrauftragsverteilung und ohne Stundenplan. Trotzdem produktiver als alle Vortage zusammengenommen.
Ende Vorbereitungswoche.
Logikrätsel Nr. 1:
Geimpfte SchülerInnen müssen sich nicht mehr testen, weil sie das Virus nicht mehr bekommen und übertragen können.
Geimpfte SchülerInnen müssen Maske tragen, weil sie das Virus immer noch bekommen und übertragen können.
Logikrätsel Nr. 2:
SchülerInnen und LehrerInnen dürfen nicht nach ihrem Impfstatus gefragt werden, schon gar nicht darf es dokumentiert werden. Datenschutz und so.
Auf einer Liste muss dokumentiert werden, wer sich nicht mehr testen muss.
Logikrätsel Nr. 3:
Bei Nichteinhalten des Sicherheitsabstandes muss eine Maske getragen werden - auch auf dem Schulhof.
Am ersten Schultag finden die Termine der Klassenfotos aller Klassen auf der Treppe vor dem Haupteingang statt - ohne Maske.
Zugegeben - die Lösung ist hier einfach: Das Foto wird nicht auf der Treppe, sondern auf dem Sportplatz gemacht, alle Schüler haben 1,5 m Platz und lächeln in das 20 m entfernte Teleobjektiv. Dann haben Mutti und Vati immerhin Platz, um ihr Kind auf dem Bild nachher rot einzukringeln.
Disclaimer: Alle Namen sind frei erfunden. Wer sich wiederfindet, darf sich behalten. Tiere wurden auch keine verletzt.